Karlsruhe
Der Karlsruher Straßenstrich Folge 3: Ausstieg
Karlsruhe (rs) Der Karlsruher Straßenstrich bedeutet für die betroffenen Frauen prekäre Bedingungen. Immer wieder erleben die Frauen in der Prostitution Gewalt. Die Lage soll sich in den vergangenen zwei Pandemiejahren sogar verschärft haben, so Angaben der Diakonie Karlsruhe. Doch der Ausstieg ist oftmals ein langer Prozess. Der dritte Teil dieser Reihe wirft einen Blick auf die Ausstiegsmöglichkeiten für Frauen auf dem Karlsruher Straßenstrich.
Die anderen Beiträge der Reihe Karlsruher Straßenstrich finden Sie hier:
Folge 1: Arbeitsbedingungen
Folge 2: Zukunft des Straßenstrichs
Folge 4: Ein Blick in die Recherchearbeit
Temperaturen unter zehn Grad: Frieren auf dem Karlsruher Straßenstrich
Die Journalistin Ronja Schrimpf hat den Karlsruher Straßenstrich besucht – aber ohne Kamera und Mikrofon. Mit der Presse haben die Frauen auf dem Straßenstrich schlechte Erfahrungen gemacht. Trotzdem durfte Ronja Schrimpf sie kennenlernen, mit ihnen sprechen. In Begleitung von Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle Luis.e von der Diakonie Karlsruhe. Sie fahren jede Montagnacht den Karlsruher Straßenstrich ab. Auch jetzt im Winter. Denn die Frauen arbeiten auf dem Karlsruher Straßenstrich auch dann, wenn die Temperaturen weit unter zehn Grad liegen. In diesem Beitrag erzählt Ronja Schrimpf von ihrer Arbeit.
Heiße Getränke, Kondome und Feuchttücher: Unterwegs mit der Beratungsstelle Luis.e
Laut Anita Beneta von der Beratungsstelle Luis.e der Diakonie Karlsruhe trauen sich die Frauen auf dem Karlsruher Straßenstrich nicht, öffentlich über die Bedingungen dort zu sprechen. Doch es sei wichtig, darüber zu sprechen. Denn die Situation für die Frauen auf dem Karlsruher Straßenstrich ist alles andere als akzeptabel. Deshalb hat Journalistin Ronja Schrimpf ein Team der Beratungsstelle Luis.e auf den Karlsruher Straßenstrich begleitet. Der erstreckt sich über sieben Straßen in der Stadt. Zwei Mitarbeiterinnen und Ronja Schrimpf fahren den Straßenstrich mit einem Bus ab, an Bord heiße Getränke, Feuchttücher, Kondome und Anderem.
Arbeiten bis drei Uhr nachts – für einen hohen Preis
Wo der Bus hält, warten die Frauen bereits. Mit den meisten von ihnen kann Ronja Schrimpf auch sprechen. Einige haben sich vielleicht sogar über die Abwechslung gefreut. Sie kommen aus Bulgarien, Ungarn und einem türkischsprachigen Teil Bulgariens. Das Team der Beratungsstelle Luis.e von der Diakonie Karlsruhe spricht jede dieser Sprachen. Die meisten Frauen stehen auf dem Karlsruher Straßenstrich bis drei Uhr nachts. Daher sind die heißen Getränke aus dem Bus hochwillkommen. Toiletten oder fließendes Wasser gibt es auf dem Karlsruher Straßenstrich nicht. Die Frauen zahlen einen hohen Preis, um auf dem Straßenstrich zu arbeiten, so Beneta von der Beratungsstelle Luis.e. Und das in mehr als einer Hinsicht. Denn die Frauen auf dem Karlsruher Straßenstrich müssen in jeder Nacht Steuern zahlen, in der sie gearbeitet haben – auch dann, wenn sie kein Geld einnehmen konnten.
Den Straßenstrich verbessern: Ein Antrag nach den Wünschen der Betroffenen
Ein Verbot, zum Beispiel das Nordische Modell, ist laut Anita Beneta von der Beratungsstelle Luis.e nicht sinnvoll. Die Frauen würden nur in die Illegalität abrutschen und noch unsicherer arbeiten als sowieso schon. Stattdessen fordert sie: Der Karlsruher Straßenstrich muss sicherer werden. Ein Beispiel dafür ist der Straßenstrich in Köln. Auch die Fraktion Karlsruher Liste/Die Partei hat im Gemeinderat einen Antrag gestellt, um die Situation auf dem Karlsruher Straßenstrich für die Frauen zu verbessern. Als Grundlage für den Antrag habe man sich an den eigenen Aussagen der Frauen auf dem Karlsruher Straßenstrich orientiert, die die Diakonie Karlsruhe in einem Katalog mit den Frauen arbeitet hat. Diese Wünschen haben die Frauen auf der Journalistin Ronja Schrimpf erzählt, als sie den Karlsruher Straßenstrich mit einem Team der Beratungsstelle Luis.e befahren hat.
Den Straßenstrich verbieten: Das Nordische Modell
Aber es gibt auch Gegenstimmen, zum Beispiel im Karlsruher Gemeinderat bei der SPD oder bei er Initiative Karlsruhe gegen Sexkauf. Die Lösung sei demnach nicht, die Bedingungen auf dem Straßenstrich zu verbessern. Damit fördere man nur die Ausbeutung der Frauen. Stattdessen müsse man die Gewalt beenden. Daher die Forderung: Das Nordische Modell, bei dem die Freier, aber nicht die Prostitutierten unter Strafe stehen. Denn die Frauen in der Prostitution erfahren oft Gewalt und Traumata.
Erstmal bleibt also alles beim Alten
Kritiker merken jedoch an, dass es den Frauen meist an Alternativen zur Prostitution fehlt und das Nordische Modell daher keine Lösung sei. Auch der Ausstieg aus der Prostitution sei nicht leicht, das erzählt das Team der Beratungsstelle Luis.e auch Journalistin Ronja Schrimpf, als sie den Karlsruher Straßenstrich Montagnachts gemeinsam abfahren. Klar ist also: Es muss sich etwas ändern auf dem Karlsruher Straßenstrich. Nur was genau und in welcher Weise, das bleibt weiterhin Gegenstand der Diskussion. Solange es keine Einigung gibt, wird das Team der Beratungsstelle Luis.e auch weiterhin im Sommer wie im Winter nachts den Karlsruher Straßenstrich abfahren.