BGH gibt Revisionen teilweise statt: Prozess um versuchten Mord am Waghäuseler Bahnhof muss neu verhandelt werden
Karlsruhe/Waghäusel (pm/amf) Der Prozess um den versuchten Mord am Waghäuseler Bahnhof im Sommer vergangenen Jahres muss teilweise neu verhandelt werden. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe heute mitteilte, hat der erste Strafsenat den Revisionen des vom Karlsruher Landgericht verurteilten Brüderpaars in Teilen stattgegeben. Die Schwurgerichtskammer am Landgericht hatte es im Frühjahr als erwiesen angesehen, dass die zum Tatzeitpunkt 26 und 23 Jahre alten Brüder einen 54-jährigen Mann angegriffen und ins Gleisbett gestoßen haben. Der 26-jährige Haupttäter wurde zu einer Haftstrafe von zehn Jahren und dessen jüngerer Bruder zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt. Nach Ansicht des BGH kann das Urteil gegen den 26-Jährigen aber keinen Bestand haben, weil unter anderem die Schuldfähigkeit des Angeklagten rechtsfehlerhaft beurteilt worden sei.
So sei eine paranoide Schizophrenie nicht ausreichend untersucht worden, weil das Landgericht die Auffälligkeiten in der Lebensführung im Tatzeitraum nur unzureichend gewürdigt habe. Zudem ließen die Ausführungen des Landgerichts eine – sich nach Auffasssung des BGH aufdrängende – Auseinandersetzung mit einer drogeninduzierten Psychose vermissen. Die Feststellungen des Landgerichts zum objektiven Tatgeschehen hat der Senat bestehen lassen, da die Beweiswürdigung des Landgerichts diesbezüglich nicht zu beanstanden sei. In der neuen Verhandlung werde vor allem eine mögliche geistige Erkrankung des Angeklagten A. eingehend zu prüfen sein und damit auch, ob der Angeklagte A. gegebenenfalls in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen ist.
Urteil des Landgerichts
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts trafen die beiden Angeklagten am 28. Juli 2020 am Bahnhof Waghäusel zufällig auf einen ihnen unbekannten 54-jährigen Frührentner, der auf dem Bahnsteig wartete. Der Angeklagte A. ließ spontan seine Wut und Enttäuschung über seine Lebenssituation in Deutschland an dem Geschädigten aus und stieß ihn in das Gleisbett hinunter. Befreiungsversuche des Geschädigten verhinderte der Angeklagte A. mit Tritten und Schlägen selbst dann noch, als sich ein Güterzug mit hoher Geschwindigkeit dem Geschädigten näherte. Beide Angeklagten flohen. Der Geschädigte überlebte schwer verletzt. Das Landgericht hat das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe als erfüllt angesehen.