Pforzheim
Konstituierende Sitzung in Pforzheim: Wie der Gemeinderat trotz 17 Listen einheitlich entscheiden will
Pforzheim (ln) Am 9. Juni war Kommunalwahl. Dort, wo die Ergebnisse für gültig erklärt wurden, beginnen nun die konstituierenden Sitzungen. In der ganzen Region zogen gestern die neuen Stadträtinnen und Stadträte ins kommunale Plenum ein. Einige Konstellationen blieben dabei recht ähnlich, für andere brachen neue Zeiten an.
Die Wahl des neuen Gemeinderates Pforzheim sorgte für einen politischen Flickenteppich und stellte die Randparteien ins Zentrum. Seit Jahrzehnten ist nicht mehr die CDU stärkste Kraft, sondern die AfD und mit 17 Parteilisten ist der Rat selbst gespalten wie nie. Das ist auch Oberbürgermeister Peter Boch bewusst, als er den alten Gemeinderat am Dienstag verabschiedete. „Wir haben eine Pandemie überstanden und viele Projekte ins Rollen gebracht“, sagt er. Nun liege es beim neuen Gemeinderat, die aktuellen Themen zu stemmen. Neuer Wohnraum, Verkehr, Ausbau von Windkraft und Energiewende – bei fast allen Listen vertreten. Dabei herrscht unter vielen größeren Parteien die Weigerung, mit der AfD zusammenzuarbeiten.
Für die AfD ist die Wahl ein historischer Erfolg. Dass sie die Fraktion mit dem größten Stimmanteil in einem Gemeinderat stellt, in Baden-Württemberg beispiellos. Konkret heißt das für Pforzheim, dass sie nun neun von vierzig statt sechs von vierzig Sitzen belegt. Ohne Kooperation bleiben die Anträge der AfD also in den Startlöchern stecken. Dass andere größere Fraktionen angekündigt haben, eine Zusammenarbeit mit der AfD auszuschließen, laut Aussage der Listenersten Diana Zimmer keine förderliche Haltung. Zimmer erklärt, dass die AfD bereit sei, andere Fraktionen zu unterstützen, sofern sie deren Anträgen und Standpunkten etwas abgewinnen kann.
Und nicht nur für stärkste und zweitstärkste Fraktion ist klar, dass die Entscheidungen der nächsten fünf Jahre davon abhängen, wer die meisten Splitterlisten hinter sich vereinen kann. Zwar gebe es mit sieben Fraktionen und zwei Gruppierungen sogar weniger als in der vergangenen Wahlperiode, doch bestehen vier Fraktionen aus den 12 Listen, die zu wenige Stimmen für eine eigene haben. Ein Beispiel: Die Pforzheimer Frauenliste um Sabine Zeitler fügt sich mit den Freien Wählern und der Bürgerliste zusammen – jede davon hatte einen Sitz. „Als drei Individualisten mit ihrem eigenen Kopf“ beschreibt Zeitler das Fraktionsbündnis. Im Vorhinein die Zusammenarbeit ausschließen möchte sie mit keiner Fraktion.
Die erste Entscheidung, die der neue Gemeinderat am Dienstagnachmittag getroffen hat: Ob die Hürde, ab der eine Liste eine Fraktion bilden darf von fünf auf zwei Prozent abgesenkt wird. Heißt, es genügte ein Sitz. Ein Antrag der mehrheitlich abgelehnt wurde. Dafür wird einem Ergänzungsantrag zugestimmt, nach dem auch Gruppierungen –Zusammenschlüsse unter der Fraktions-Grenze – Anträge einbringen dürfen. Je nach Thema kann also auch aus einem politischen Flickenteppich eine einheitliche Entscheidung erwachsen.